Stierkampf in Spanien: Eine jahrhundertealte Tradition hat heute in Katalonien ihr Ende gefunden: Den Stierkampf wird es in dieser Region Spaniens nicht mehr geben, nachdem das Parlament im letzten Jahr ein Verbot verabschiedet hatte. Die Arena von Barcelona war heute mit 20.000 Zuschauern ausverkauft, und die Tötung der letzten sechs Stiere rief Tierschützer und Stierkampfbefürworter vor die 93 Jahre alte ‚La Monumental‘ in der das ganze Wochenende die besten Toreros Spaniens auftraten. Das Interesse am Stierkampf hatte in Katalonien im Laufe der letzten Jahre deutlich abgenommen, die Arenen waren nicht einmal zu 1/3 gefüllt.
Ich erinnere mich, 1992 mit meinen Eltern selbst einmal vor ‚La Monumental‘ gestanden zu haben, aber dort einmal hineinzugehen kam für mich damals nicht infrage.
Viele Jahre später, vor wenigen Wochen, war ich mehrere Tage in Málaga. Ich wurde im Vorfeld gefragt, ob ich einen Stierkampf in Spanien besuchen möchte – und ich habe wieder kategorisch abgelehnt. Als dann aber der Tag kam und ich Málaga schon ein wenig kannte, wusste ich, welche Geschichte die ‚Plaza de Toros‘ hat. Picasso war als Kind oft dort und ich verstand, welch Spektakel das Ganze für die Spanier sein musste. Ich wurde sehr neugierig.
Dann war plötzlich eine Eintrittskarte übrig. Ich nahm sie an. Ich wollte das Geschehen, die Stimmung drumherum fotografieren, aber nicht meinen Platz in der Loge einnehmen. Meinen ersten Stierkampf in Spanien dokumentieren, aber aus der Distanz. Dann aber waren alle drin, und ich ging plötzlich mit. Ich war irgendwie erschrocken, hatte ein schlechtes Gewissen. Aber meine journalistische Neugier ließ mich meinen Platz einnehmen. Und ab diesem Moment war ich im Geschehen.
Die Menschenmassen, schick gekleidet, herausgeputzt für dieses Ereignis im Rahmen der Feria, die älteren Herren, die die Plätze einwiesen. Bestuhlt mit weißen Plastikstühlen, kaum nummeriert und doch hatten sie einen genauen Überblick. Ich erfuhr, dass es sich um einen Corrida Mixta handele, mit einem der besten Stierkämpfer Spaniens. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, was eine Corrida Mixta überhaupt war, noch wie sich die Toreros überhaupt unterscheiden in ihrem Können.
berittener Stierkampf in Spanien – Tradition in Málaga
Ein Corrida Mixta bedeutet, dass sich ein Torero zu Pferde mit einem ohne Pferd abwechselt.
Damit ihr wisst, wovon ich spreche, möchte ich ein Video verlinken, das diese Kunst zeigt. Und ich habe noch nie vorher so etwas gesehen – ich habe noch nie jemanden so reiten sehen, noch nie ein so kraftvolles Pferd gesehen. Das Video wurde millionenfach angeklickt und man vergisst den Stier in diesem Video völlig. Allerdings ist das Pferd nicht irgendein Pferd, sondern ‚Merlin‘ bzw. Orpheo das Wonderhorse. Aus einer berühmten Zucht von Jacques Bonnier, geritten wird es von Pablo de Hermoso de Mendoza. Einem berühmten Rejoneador. Diese teuren Rassepferde wachsen mit Kampfstieren auf und sind im Kampf gänzlich ungeschützt, meist wechselt der Stierkämpfer in diesen 20 Minuten 3–4 Mal das Pferd, weil es müde wird.
Update 2024: Das Video ist leider nicht mehr auf YouTube vorhanden.
Ich habe beobachtet. Und fotografiert. Viel fotografiert. Unsere Plätze lagen im Schatten. Jetzt weiß ich, dass es mit die besten Plätze gewesen sein müssen. Einmal WEIL sie im Schatten lagen – es gibt noch Platzkategorien in der Sonne und Plätze, die zunächst in der Sonne liegen und später im Schatten. Und weil sich genau gegenüber der ‚toril‘ befand – dem Tor, durch das der Stier in die Plaza de Toros stürmt.
Und zwar stürmt der Stier immer in die Sonne. So sind die Arenen einfach gebaut. Damit ist er erst einmal geblendet und muss sich orientieren.
Irgendwo über uns muss der Präsident des Stierkampfs gesessen haben. Er schaltet sich permanent in den Kampf ein und leitet ihn. Er gibt mit einem weißen Taschentuch Zeichen und am Ende bestimmt er den ‚Ruhm‘ der dem Torero gebührt.
Als Tourist kann man diese Abläufe eines Stierkampfes überhaupt nicht verstehen, man wird nichts begreifen. Ist hin- und hergerissen zwischen Schock und Interesse. Es gibt so viele komplizierte Regeln. Was bleibt, ist eine teils vielleicht ‚schockierende Bilderflut‘. In einer bestimmt 30 Jahre alten Ausgabe des MERIAN las ich:
Wer zur Plaza de Toros geht, muss zunächst zwei Voraussetzungen akzeptieren. Erstens: Der Stierkampf ist kein Sport. Es gibt keine Chancengleichheit zwischen Mensch und Tier, und es gibt auch nicht das was man einen fairen Kampf nennt. Zweitens : der abschließende Höhepunkt des Stierkampfs ist das Töten des Stiers. Wenn der Matador vom Stier getötet oder verletzt wird, so ist dies ein schlechter Stierkampf. Der Stierkampf ist kein freies Spiel zwischen Mensch und Tier, sondern das rituelle Töten eines Stiers. Dabei setzt der Mensch sein Leben aufs Spiel, fließt Blut. Wer dies nicht ertragen kann, der bleibe der Arena fern. (MERIAN Andalusien Jahr/Ausgabe unbekannt)
In den ersten Reihen, direkt an ‚barrera‘ sitzen die spanischen Männer, die keine Miene rühren und ihre Meinung mit Pfiffen oder Klatschen kundtun, meist lässig uninteressiert. Weiter oben sitzen die Touristen. Sie zeigen deutliche emotionale Reaktionen, verschränken die Hände vor dem Gesicht, verlassen die Arena nach dem ersten getöteten Stier von insgesamt sechs. Das habe ich auch gemacht. Aber ich möchte dennoch meine Fotos zeigen, die ich in diesen ersten 20 Minuten gemacht habe.
Ich habe lange überlegt, warum ich halbwegs neutral geblieben bin während des Stierkampfs in Spanien. Ich konnte ihn nicht richtig verurteilen, fand das Ganze aber gleichzeitig grausam. Nicht oft habe ich hingesehen, wenn der Stier verletzt wurde. Nach einiger Recherche weiß ich, dass mich die am Stierkampf beteiligten Pferde vollkommen fasziniert haben. Meine Güte sind die kraft- und prachtvoll. Was kann der ‚Rejoneador‘ (der Stierkämpfer zu Pferde) reiten!
Das drumherum wie der Einzug der Toreros und der Helfer, der Maultiere, und den Männern, die nachher ‚aufräumen‘ ist interessant zu sehen, aber diese Reiterskunst zu sehen hat mich völlig umgehauen. Nun war es nicht irgendein rejoneador, sondern wohl einer der besten Spaniens – „El Juli“ oder Julian Lopez Escobar (er wurde mit 15 der jüngste Stierkämpfer in der Geschichte und mit 17 der bestbezahlte) – aber meine Gefühle haben mich danach noch lange grübeln lassen. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Und das hat mich über den verletzten Stier wegsehen lassen.
Natürlich ist die eigentliche Kunst hierbei, den Stier so nah wie möglich an den Körper des Pferdes herankommen zu lassen, ohne dass es verletzt zu wird, ausweichen erst in der letzten Sekunde.
Und ja, als der Part des berittenen Stierkampfes vorbei war und ein Torero in der Arena stand, war mein Interesse völlig verflogen. Und der Stierkampf wurde wieder das, was er wahrscheinlich vorher auch war – blutig und grausam.
Bei YouTube bin ich auf ein weiteres interessantes Video gestoßen. Es zeigt, wie diese mutigen Pferde den Umgang mit jungen Stieren lernen.
Einen Tag nach dem Stierkampf bin ich zum Hotel Paradores gefahren. Von dort hat man nicht nur eine fantastische Sicht über Málaga, sondern man kann auch das Geschehen in der Plaza de Toros mitverfolgen. Und von hier sieht man auch die Kampfstiere in ihren Boxen stehen. Denn welcher von ihnen für den Stierkampf ‚ausgewählt‘ wird, entscheidet sich erst kurz vorher. Heute habe ich mir auch die Seite der ‚anti corrdia‘ durchgelesen. Aber um zu wissen, was wirklich vor sich geht rund um die Stierkämpfe in Spanien, reicht weder mein Wissen noch mein Spanisch.
Nach spätestens 20 Minuten muss Stier getötet sein, da er sonst begreifen würde, dass die eigentliche Bedrohung nicht von diesem roten Tuch ausgeht, sondern vom Torero.
Ich bin niemand, der die Spanier aufgrund ihrer Stierkämpfe verurteilt. Es ist ihre Tradition. Sie wird so weitergehen oder eben auch nicht. Ich bin hinausgegangen, als der erste Kampfstier tot war. Fünf weitere wollte ich mir nicht ansehen, fühlte mich dabei aber irgendwie sehr deutsch.
Danke also für diesen ersten und letzten Stierkampf in Spanien.
Stierkampf hin oder her. Tradition oder Grausamkeit… Deine Fotos sind grandios! Eines besser, als das andere.
Danke für’s Mitnehmen in diese Arena!
GLG Bine
Wahrhaft großartige Fotos und – da hast du vollkommen Recht – großartige Pferde und Reiter. Und dennoch: Die Grausamkeit des Stierkampfs fokussiert sich in den Widerhaken der Speere. Gut, dass diese rituelle Blutbad ein Ende hat. Stierkampf-Kunst geht auch anders, das beweisen die Toreros in der Camargue. Dort ist es das Ziel, dem Stier eine Kokarde, eine Krepppapier-Rosette zwischen die Hörner zu hängen. Anschließend darf er wieder auf die Weide, bis er zum Schlachter kommt.
Große spanische Reitkunst gibt es in vielfältiger Ausprägung auch ohne grausamen Stierkampf.
Danke für eure Kommentare! Die Tradition des Stierkampfs ist nur in Katalonien beendet, im Rest des Landes geht sie weiter. Diese Bilder zeigen auch nicht das Ende des Kampfes, am Ende war ich wieder ganz Tourist, habe weggeguckt, das konnte ich nicht sehen.
Tatsächlich fände ich den Sport an sich – also bliebe es nur bei der Spielerei zwischen Pferd, mensch und Stier sehr faszinierend. Ein Stierkampf mit happy end. Allerdings riskieren dann immer noch sowohl Reiter als auch Pferd ihr Leben dabei. Und ja, den Stierkampf in Frankreich finde ich sehr interessant…
Großartige Fotos, insbesondere das letzte, das ja auch (aktuell) Titelbild der Website ist. Fantastisch, wie die Arena im unteren Teil positioniert ist. Farbkontrast kalt-warm. Formenspiel. Ach ich hab eigentlich keine Lust weiterzuanalysieren und schau’s mir einfach nochmal an. Thanks! 🙂
Hallo Heike,
vielen Dank für die Überragenden Bilder und den tollen Texten dazu. Ich habe mich echt Gefühlt, als ob ich in der Arena drinne wäre. Auch ich fliege morgen nach Malaga und werde mir die Stadt und die Umgebung näher anschauen. Doch eine Arena betreten, werde ich nicht.
Grüße
Chris
Gut geschriebener Artikel, da er sehr neutral gehalten ist. Hier wird nicht gegen den Siterkampf gewettert, noch wird er hier gelobt.
Hallo Heike,
zu Deinem Kommentar hier, kann ich Dir nur einen guten Tip geben- Schau es Dir einfach mal in Portugal an. Da wird meist zu der Stierkampf zu Pferde geboten, wobei der Stier zum Schutz der Pferde die Hoerner verbunden hat. Der portugiesische Stierkampf besteht aus zwei teilen, zuerst dem Stierkampf zu Pferde so wie er hier auf den Fotos zu sehen ist, und dann der Pega, das heisst das acht Maenner in traditioneller Tacht sich in einer bestimmten Formation gegenueberstellen und durch Zuruf zum Angriff provozieren, um ihn mit ihrer Koeprerkraft und Teamgeist zum stehen zu bringen. Der vordesrte Mann, Cabo genannt, springt dem Stier zwischen die Hoerner und haelt sich fest, die anderen stemmen sich gegen ihn und der letzte haelt den Bullen am Schwanz fest. Danach verlaesst der Stier in Begleitung einer Ochsenherde lebendig die Arene. Ist sehr interessant anzusehen und klingt ein wenig nach Stierkampf mit Happy End, was es aber leider nicht ist, da die Qualen fuer den Stier erst hinterher losgehen, beim Entfernen der Spiesse sowie der Fahrt zum Schlachthof, wo er dann eventuell noch ewig mit Fieber warten muss, bis er endlich „erloest wird. Ich Portugal gibt deswegen auch vielmals die Debatte, ob es nicht besser sei das Toetungsverbot aufzuheben.