„Ah, you must be the german Journalist!“ lautete die Begrüßung in meinem Hotel in Vardø. Yep. Das bin wohl ich. All zu viele Touristen oder Journalisten sind zu dieser Jahreszeit und im so hohen Norden bzw. Osten Norwegens nicht anzutreffen.

Auf meinem Roadtrip durch die Arktis befinde mich nun an meiner vorletzten Station, am östlichsten Rand Norwegens, einem kleinen Fischerort mit etwas über 2000 Einwohnern. ‚Östlicher als Istanbul, St. Petersburg und Kairo‘ wie Wikipedia mir verrät. Dort, wo man den Kindern damals Steine in die Taschen gesteckt haben will, damit sie nicht weggeweht werden. Eine schöne und aus meiner Sicht durchaus realistische Geschichte. Zwei Nächte verbringe ich im Vardø Hotel, einem sehr außergewöhnlichen, liebenswerten und gemütlichen Hotel am Ende der Welt.

Hurtigruten in Vardø Norwegen
Blick aus meinem Hotelzimmer

Vardø hatte ich mir komplett anders vorgestellt. Weniger interessant um ehrlich zu sein. Aber schon nach den ersten Metern zog mich der Ort in den Bann. Nach einer wahnsinnig eindrucksvollen Autofahrt entlang der Barentssee auf der nationalen Touristenstraße Varanger, hatte mich ein Tunnel verschluckt, 86 Meter unter die Erde geschleust und am anderen Ende im Zentrum von Vardø wieder ausgespuckt. Vardø liegt auf einer kleinen Insel. Umringt von der mächtigen Barentssee, deren Anblick auch nach zwei Tagen noch immer magisch ist.

Barentssee Norwegen

Schon auf der Fahrt hierher konnte ich feststellen, dass der arktische Wind selbst den Schafen zu heftig ist und sie sich im Windschatten von Wohnhäusern oder Hütten aufhalten oder gar einige Treppenstufen erklimmen um geschützter zu stehen. Diesen Möwen scheint es da ähnlich zu gehen.

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Der Wind ist eine echte, arktische Erfahrung. Pfeift er im Ort selbst noch mit reduzierter Kraft, lässt er seine Muskeln draußen richtig spielen. Er schlägt mir Autotüren auf und zu schneller als ich gucken kann, bläst mir das iPhone aus der Jackentasche und versucht mich hinterrücks einen Abhang runter zu pusten. Tststs. Die Haare fliegen unkoordiniert in alle Richtungen und ich frage mich bei den vielen Fotostops an steilen Straßen jedes Mal aufs Neue: Hast du eigentlich WIRKLICH die Handbremse angezogen?

Seit einer Woche bin ich nun schon in Norwegen unterwegs und komme erst jetzt dazu, mich hier zu melden. Und das auch nur weil es mir gerade halbwegs gelingt, das Lichtspiel, das sich im Hafenbecken direkt vor meinem Fenster abspielt, zu ignorieren. Denn nächtliche Ausflüge stehen fast täglich auf meinem Mittsommerprogramm. Zu fasziniert bin ich von den taghellen Nächten hier oben im Norden als dass ich früh schlafen gehen könnte.

Die Quittung folgte gestern prompt: Mit Handy in der Hand, laufendem Motor und einer bis zum Anschlag aufgedrehten Sitzheizung schlief ich noch im Auto sitzend vor meinem Hotel in Vardø ein. Der Wagen war ordnungsgemäss abgestellt aber so schön warm, Sitzheizung, aussteigen? Gleich. Nur ganz kurz noch was auf dem Handy checken: zack. Ich schreckte etwas unsanft kurze Zeit später hoch.

Bevorzugt laufe ich mitten in der Nacht an Orten herum, an denen sich schon tagsüber kaum jemand aufhält  – so wie auf dem abgelegenen Aussichtspunkt Arctic View in Havøysund oder ich breche spontan zu einer Mini-Streetarttour in Vardø per Auto auf. Heißt: Schlaf ist knapp. Aber so geht es allen im Mittsommer, auch den Norwegern.

nächtliche Ausflüge in Vardø

Zu Beginn dieser Reise war ich etwas skeptisch, ob der Norden mich nach meinen ersten zwei Roadtrips durch Norwegen auch nur annähernd so begeistern könnte. Aber die Wahrheit ist: von meiner Ankunft in Tromsø bis zu meinem aktuellen Aufenthalt in Vardø, dem östlichsten Punkt Norwegens, wurde meine Reise von Tag zu Tag intensiver und besser. Ich denke, man kann es als ein ’sich einfahren‘ und akklimatisieren bezeichnen. Das Gefühl, angekommen zu sein, benötigt einen Tag Zeit. Vor allem wenn der Koffer erst einmal weg ist.

Einige Highlights meiner Reise: Ich verbrachte einen lustigen Kneipenabend in Honningsvag, probierte Rentier und ‚Pulled Mousse‘, stand 5 Minuten fast allein am Nordkap, wurde Mitglied im Eisbärenclub, blicke von meinem Hotelzimmer auf den Hafen von Vardø und liess mir in Havøysund den heftigen Wind um die Ohren wehen zwischen Windkraftanlagen und unglaublichen Ausblicken. Havøysund habe ich zu meinem persönlichen Nordkap auserkoren.

Straßen in Norwegen

barentssee011
Ooops. Finland. Mist.
Nesseby Kirche Varanger Norwegen
auf der Nationalen Landschaftsroute Varanger

Nesseby Kirche Varanger

Straße zum Nordkap Norwegen
Rückweg vom Nordkap

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Bisher habe ich gut 1700 Kilometer zurückgelegt. Kein einziger davon führte mich über hässliche oder nervige Straßen. Ich kann mich auch nicht erinnern, außerhalb von Tromsø Ampeln gesehen zu haben oder mich über einen Autofahrer geärgert zu haben. Unterwegs bin ich mit der neuen C-Klasse von Mercedes-Benz und ehrlich gesagt ziemlich froh, Allrad Antrieb zu haben. Im letzten Jahr hats mich das ein oder andere Mal fast von der nassen, rutschigen und teils spiegelglatten Fahrbahn gehauen. Möglichkeiten zum Tanken gibt es hier oben nicht super viele, aber sie sind ausreichend vorhanden.

Man sollte es allerdings tunlichst vermeiden, auf Risiko und mit sich leerendem Tank herumzukurven und immer eine Kreditkarte mit Pin Nummer dabei haben. Sonst kann das Tanken in die Hose gehen.

Tanken in der Arktis in Norwegen

Der Verkehr fließt sehr entspannt und hier bricht sich niemand einen Zacken aus der Krone, andere überholen zu lassen. Auch die Strecke von Alta zum Nordkap, an die ich mich gebremsten Erwartungen ging, entpuppte sich als tolle Fahrt!

Vardo Kirkenes

Ich geniesse meine Solo Reise durch die arktische Einsamkeit also in vollen Zügen. Morgen darf ich einen Großteil der Varanger Route wieder zurück fahren, dann geht es nach Kirkenes an die russische Grenze. Damit brechen dann auch die letzten zwei Tage dieses Roadtrips an. Meiner arktische Roadtrip Playlist auf Spotify hat sich schon tief in mein Hirn gebrannt und ich kann nicht aufhören, immer wieder die gleichen Lieder zu hören. Wer mir auf Periscope folgt oder es noch tun möchte, heute Nacht nehme ich euch gerne mit durch eine nächtliche. taghelle Fahrt mit dem Auto durch Kirkenes.

Mein Roadtrip durch die Arktis wird unterstützt von Visit Norway, Northern Norway, Innovation Norway und Mercedes-Benz.

20 Gedanke zu “Allein durch die norwegische Arktis – ein Roadtrip Update nach 1700 Kilometern”
  1. Liebe Heike, selten bin ich Dir so gern auf Deinen Reisen gefolgt wie derzeit. Für mich stellen die Bilder auch irgendwie eine so leicht „gebrochene“ Schönheit dar, wenn Du weißt, was ich meine. Passt oft besser zu meiner Stimmung als Eiteitei-Sonnenschein am perfekten weißen Sandstrand. Überleg sogar ernsthaft, mir mal Periskope anzuschauen durch Deine Hinweise. Viele Grüße aus (noch) Deutschland in den richtig hohen Norden. Auf dass Du weitere tolle Entdeckungen machen kannst, Christina beim Packen für Umbrien – PS: Manches erinnert mich auch an Kanada Anfang Mai. Oder eine Schneewanderung mit Übernachtung in so einem „Maulwurfshügel“ mit Klappe im Boden (kanns nicht besser ausdrücken) am 1. Mai in Norwegen.

    1. Liebe Christina,

      ich freue mich sehr über dein Feedback! Um ehrlich zu sein, mag ich genau diese Stimmung sehr. Ich könnte noch tagelang so weitermachen. Periscope anzuschauen ist sicherlich eine Bereicherung, du musst es nicht aktiv nutzen sondern kannst es einfach ‚haben‘. Das Netzwerk benötigt kaum Pflege. 🙂

      Dir ganz viel Spaß in Umbrien!

  2. Liebe Heike, mir wird ganz schwummerig und ich fühle mich tatsächlich mitgerissen, mich fröstelt ein bisschen, die Haar sind vom salzigen Wind verklebt und ich kann nicht aufhören über das Lichtspiel um Mitternacht zu staunen. Morgen wirst du Midsommar dort erleben, den längsten Tag. Speicher ganz viel davon ab und erzähl es uns hier.
    in Gedanken dabei! Geertje

    1. Hallo liebe Geertje,

      😀

      Danke für die stimmungsvolle Umschreibung! Ich geniesse auch jede Sekunde, lässt sich nicht anders sagen. Morgen ist ‚leider‘ keine Mittsommernachtsnacht, die ist in Norwegen erst am 23. Juni. Aber ich habe sie auf meinen letzten beiden Roadtrips miterlebt, von daher ist es ok sie zu verpassen. Die Sommerferien in NRW liegen einfach zu früh dieses Jahr.

  3. Uiii, das sieht toll aus. Wird es dir nicht zu einsam irgendwann? Man sieht ja wirklich NIEMANDEN auf den Bildern… (Aber klar, du bist ja via Social Media eigentlich die ganze Zeit mitten unter uns 😉 )

    Gute Fahrt!
    Jenny

    1. Hallo Jenny,

      einsam fühle ich mich keine Sekunde. Es gab mal einen Moment in dem ich dachte, alles doof. Ich hatte überlegt woran das lag und kam zu dem Schluss: ich war das erste Mal nicht mehr direkt am Wasser unterwegs seit zig hundert Kilometern. Aber natürlich, die permanente Internetverbindung ist Goldwert für mich!

    1. Danke, Sabine! Das Auto blitzt? 🙂 Ehrlich gesagt fotografiere ich den Wagen so wie eben aussieht, und das ist aktuell ziemlich schmutzig. Ich war jedenfalls in noch keiner Waschstraße und polier auch nicht rum wie du an dem Spiegelbild gut erkennen kannst. 🙂 Gute Waschstraßen sind hier in Norwegen auch extrem selten zu finden und noch extrem schwerer zu bedienen.

  4. Ich bin hin und hergerissen. Uhhh.. geile Sache und brrrr zu kalt!
    Die Sache mit dem warmen Auto und der Sitzheizung kennt man ja aus dem Winter. Eigentlich will ich das nicht auch noch im Sommer.
    Auf der anderen Seite: Wow, die Landschaft, wow die Bilder, wow so weit im Osten, wow Schnee, wow!

    Irgendwann, -wenn ich mal groß bin – dann fahr ich auch weit in Norden 🙂

    Weiterhin viel Spaß,
    Marc

  5. Ein wundervoller blog! Und ich zieh wirklich den Hut davor sowas durchzuziehen, da wäre ich ein zu großer Angsthase für. Allerdings ermutigt einen das Lesen dann doch dazu vielleicht mal etwas mutiger zu sein und so einen Schritt zu wagen. 🙂
    Ganz große klasse, bitte weiter so!
    LG,
    Chris

    *Link entfernt

  6. Ach wie herrlich! Ich folge Dir ja schon seit Beginn Deiner Reise auf Periscope und muss sagen, ich bin begeistert! Begeistert von Periscope und seinen Möglichkeiten, begeistert von eben Deinen Live Übertragungen mit Periscope, begeistert von Deinen Berichten und Fotos und natürlich nicht zuletzt begeistert von Norwegen!
    Ich glaube, ich muss Norwegen wirklich bald mal einen Besuch abstatten!

    Gespannt, bald wieder mehr von Dir zu sehen und zu hören,
    Nils

  7. Hallo Heike, das trifft jetzt genau mein Herz. Vielen Dank für den tollen Bericht und die schönen Fotos. Seit ich 2008 die komplette Hurtigrutenreise gemacht habe, lässt mich die Faszination von Norwegen nicht mehr los. So beeindruckend dieses Land.

    Darf ich Ihren Bericht auf G+ verlinken?

    Gern gehe ich mit Ihren Fotos auf Norwegenreise und stelle fest, dass ich den einen oder anderen Ort auch schon besucht hatte.

    Freue mich auf weitere Reiseberichte.

    Liebe Grüße
    Corinna Koch

    1. Hallo liebe Corinna,

      vielen Dank für das tolle Feedback! Natürlich, ich freue mich wenn du meinen Beitrag auf g+ teilst! Ich könnte ach gleich wieder zurück 🙂

      Ganz liebe Grüße,
      Heike

  8. Hallo Heike,
    eigentlich schaffe ich es selten, jemandem konsequent auf einer Reise zu folgen, ehrlich gesagt. Dein Trip ist aber so interessant und – zumindest für mich – so außergewöhnlich, dass ich alles lese. Ganz toll, und auch irgendwie mutig, so allein durch den rauen Wind. Danke auch für die eindrucksvollen Videos!
    LG Stefanie

  9. Wow großartig. Ich bevorzuge aktuell das heiße, asiatische Wetter, aber ein Roadtrip alleine, durch Norwegen & Co ist auch sehr verlockend. Ich kann mir gut vorstellen, dass die verlassenen Straßen und tollen Landschaften einen tollen Platz bieten zum denken und genießen.

    Viel Spaß weiterhin!
    Beste Grüße Simon

  10. Hallo,
    das sieht nach einer tollen Reise aus und danke für den Bericht. Ich spiele mit dem Gedanken meinen Stern auch mal zum Nordkap zu fahren. Wieviel müsste man wohl für Maut, Fähren und ähnliches ab der deutschen Grenze rechnen? Ich würde wohl die komplette Norwegenroute nehmen also nur die ersten paar Kilometer durch Schweden aus Fehmarn kommend über Dänemark.

  11. Hallo,
    ich plane im Sommer 2019 eine Reise mit dem Auto zum Nordkapp. Von Kiel beginnend mit der Fähre nach Göteborg. Dann über Stockholm …., Finnland bis zum Nordkapp.
    Auf der Rückreise würde ich gerne über Norwegen zurück.
    Reichen hierzu 20 Tage? Wie ist deine Einschätzung?

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