„Sie sagen, Sie bleiben eine Woche allein in Detroit? Was genau haben Sie vor? Wie kommen Sie denn vom Flughafen in die Stadt? Wen treffen Sie?“

Meine Angaben während der Einreise in die USA auf dem Detroit Metropolitan Wayne County Airport brachten mich nach den ersten zwei Sätzen in Schwierigkeiten. Die Beamtin liess keinen Zweifel daran, dass sie meine Geschichte für ziemlich absurd hielt und ich ahnte schon, auf was das ganze hinauslaufen würde. Leider sollte ich recht behalten. Und so führte sie mich tatsächlich in den ach so beliebten Raum, in dem die ‚Einreiseproblemfälle‘ sitzen und Widerworte und Nachfragen tabu sind. OH NO. Handy aus, sowieso. Ist klar.

Besagten Raum sollte ich für volle zwei Stunden nicht wieder verlassen. Dabei war er mir kein allzu unbekannter. In einem ähnlichen Raum musste ich zuletzt 1999 warten, nachdem sich mein damaliger Freund bei der Einreise nach Miami so dermaßen über das Prozedere aufgeregt hatte, dass er abgeführt worden war. Gut. 16 Jahre später wurde ich also als ’suspect‘ abgeführt weil ich als alleinreisende Frau eine Woche ‚Urlaub‘ in Detroit machen wollte. Dass das nicht das naheliegendste ist, mag ja sein. Aber deswegen in einem Verhör enden? Seriously? Wegen Tourismusgefahr oder was? Meine Gedanken drifteten ab während ich versuchte, Ruhe zu bewahren, mich aufs beobachten zu beschränken und vor mich hin wartete bis was auch immer geschah…Auf mich wartete kein Flieger, dafür ein Auto.

Detroit. Ich bin also seit wenigen Stunden zurück in Detroit. Meine Maschine war überpünktlich gelandet. Noch in der Maschine die erste Grenzkontrolle.

„Bitte setzen Sie sich wieder hin“ ertönte es aus dem Lautsprecher als wir gehen wollten.
Für eine Grenzkontrolle lief alles etwas zu zielstrebig ab. Und siehe da: Beamte rein, 4 Passagiere folgten ihnen raus. Das wars. Wie sich heraus stellte, handelte es sich um Gefangene, die mit uns (und mit Handschellen) aus Frankfurt in die Motor City geflogen waren. Welcome to the big D!

Detroit Einreise USA

‚Der Raum‘ hatte sich mittlerweile gefüllt. Ich zählte 17 Reisende, sowie 15 Beamte, die nicht den freundlichsten Blick drauf hatten. Die Hälfte der Leute wirkte aufgelöst, die andere gefasst. Darunter ein alter Inder im Rollstuhl, der kein Wort von dem verstand, was man ihm sagte. Vor mir zwei Jungs, Geschwister aus Korea, 16 und 15 Jahre alt. Was bei ihnen das ‚Problem‘ war, war nicht zu überhören. Ok. Ich bemühte mich auch nicht sonderlich. Sie hätten nach ihrer Einreise in die USA adoptiert werden sollen, doch die Papiere reichten nicht aus und so wurden sie nach einem langen Telefonat mit Korea direkt wieder zurück in ihr Heimatland geschickt aus dem sie wenige Stunden zuvor gekommen waren.

Ein Mädchen, das ihren Freund besuchen wollte, hörte ich detaillierte Fragen zum Beziehungsstatus beantworten. Dennoch wurde der junge Herr angerufen. Fragen nach den Gepäckstücken oder den Weiterflügen interessierten erstmal niemanden und wurden, das ist deutlich, auch nicht gerne gehört.

„We will book you on the next flight.“ Hörte ich mehrfach. Ich fragte mich, wie alle anderen auch, was mit unseren Koffern geschehen würde, die seit Ewigkeiten auf dem Gepäckband liegen sollten.

Tatsächlich dauert es über eine Stunde bis jemand sich erbarmte, ihn mit mir zusammen zu holen. Er lag mitten in der Halle, irgendwo zwischen zwei Gepäckbändern auf dem Boden. Mit dem Koffer ging es zurück in ‚den Raum‘, dann wurde mein Gepäck durchsucht. Komplett. Großer Koffer. Handgepäck. Portemonnaie. Der Beamte sah sich Visitenkarten an, sehr genau mein Notizbuch. Das ganze Kameraequipment nahm er mit einem naserümpfen wahr. Ich bemühte mich, das alles nicht schlimm zu finden. Richtig gelingen tat mir das nicht. Irgendwann war er fertig und ich durfte mich wieder setzen. Er versuchte, meinen AirBnB Host zu erreichen, dessen Nummer er haben wollte. Liess es dann aber gut sein. Ich hörte das Geräusch des Stempels, bekam meinen Pass und durfte gehen. Nach über 2 Stunden.

Es war meine erste, seit langem mal wieder schlechte Erfahrung bei der Einreise in die USA. Ich weiß, dass die USA eigentlich genau dieses Image der stressigen Einreise loswerden wollen. Mich hat es schwer zum Nachdenken gebracht, ob ich meine Reiseplanung für dieses Jahr nicht genau deswegen noch mal komplett über den Haufen werfen sollte.

Viel später als geplant stieg ich also in ein Qwik-Shuttle, das mich zu dem Parkplatz brachte, auf dem mein Wagen stand. Der rote GLK, der uns schon auf dem Roadtrip im Januar begleitet hatte und den mir Mercedes-Benz für diese Woche zur Verfügung gestellt hatte. Selten habe ich mich so gefreut, mich auf die Sitze fallen lassen zu können. Nach einer Anreise von über 15 Stunden.

Processed with VSCOcam with f3 preset

Ab da lief es dann auch reibungslos. Abgesehen davon, dass mir das Gefühl für die Stadt gerade noch fehlt und ich heute Nacht sicherlich kein Auge zumachen werde obwohl ich müde bin bis zum umfallen.

Minus 6 Grad, Schneefall, Sturm – so sieht das Wetter in Detroit gerade aus. Die Straßen draußen sind weiß. Ich bin gespannt, was mich die nächsten Tage erwartet. Aber es ist definitiv die erste Reise, die ich mit einem Eiskratzer im Gepäck angetreten habe!

27 Gedanke zu “Wie ich in Detroit wegen Tourismus-Verdachts fast an der Einreise scheiterte”
  1. Du Ärmste! Ich reise ja seit Jahren mehrmals jährlich in Detroit ein, aber so was ist mir noch nie widerfahren. Auch meine Koffer wurden nie durchsucht. Lediglich die Fragerei, warum ich einreise, war manchmal nervig. Meine Antwort „My fiance lives here“ zog nur noch mehrere Fragen nach sich. „Do you intent to stay here?“ Ich war ehrlich. Nein, natürlich nicht. „Why not?“ Weil ich Europa liebe und nie außerhalb Europas leben möchte „and besides, your social system is so bad“ – da war ich immer sehr ehrlich. Die meisten Beamten meinten dann „yeah, you’re so right!“ Dann kam die Frage „What does your fiance do? How did you meet? How long have you known each other? Is he in the Army? Nein, er ist nicht in der Army, war auch nie drin und er ist Wirtschaftsanwalt. „When is the wedding?“ Not too soon. „Why not?“ Because! „Go and get married, lady!“ „Ja, sobald er nach Deutschland zieht!“ „He’s moving to Germany? Lucky guy!“ Die Fragen wurden jedes Mal schlimmer. Während der letzten zwei Jahre habe ich die Frage, warum ich einreise, immer mit „I am a journalist“ beantwortet. Keine weiteren Fragen, ich bekam meinen Stempel sofort. Vorsichtshalber hatte ich jedes Mal ein Magazin mit einem USA-Artikel von mir in der Handtasche. Der Glaubwürdigkeit wegen. Dieses Jahr endet die jahrelange Pendelei. Meine bessere Hälfte zieht im Sommer zu mir nach Heidelberg. Ich wünsche dir viel Spaß in Detroit – ich hoffe, es ist nicht zu kalt! Herzliche Grüße and maybe we’ll meet at the ITB, Cornelia

  2. oh man Du Arme!! Ich wurde mal 2007 ganz fies verhoert, weil ich damals als High School student nach Mitternacht in einem oeffentlichen Park von der Polizei erwischt wurde, da der Zutritt nach 22:00 verboten war… #insane – Ich wuensche Dir, dass die restliche Zeit dafuer umso besser wird ❤️❤️❤️

  3. Tourismus-Verdacht find ich auch geil. Ähnlich ging es mir mal bei der Einreise nach Israel. Aber da kam ich auch gerade aus Syrien. Insofern war die Befragung zwar unschön, aber aus Sicht der Israelis verständlich.
    Was Detroit betrifft wird es wohl einfach so gewesen sein, dass in Detroit selbst anscheinend kein normaler Mensch auf die Idee kommt, dass es cool sein könnte, die Stadt zu besuchen. Aber das Einreiseprozedere seit dem 11. September ist auch ein übeler Krampf. Und was Privatsphäre betrifft, stelle man sich mal vor, die Bundespolizei ruft bei einem an, weil man Besuch aus den USA erwartet.

    1. Peter, klar. Das schrieb ich ja. Ein paar Stunden später fand ich es auch mehr lustig denn super ärgerlich. Aber auch nur weil ich allein gereist bin. Wenn ich Kinder dabei gehabt hätte, oder einen Weiterflug, oder was wichtiges im Koffer… Dann wäre die Situation richtig stressig für mich geworden. Vor allem die beiden Kinder haben sie lange lange nicht losgelassen. Zudem geht es ja weiter. Fotoausrüstung, Laptop, Stativ – da macht man sich gleich noch mehr verdächtig. Schlimm. Israel, da habe ich auch deutlich mehr Verständnis. Wobei die Befragung bei mir bei der Ausreise stattfand. Sich aber wirklich in Grenzen hielt…

    1. Schade, ich mag die Stadt ja sehr. Ich fand es immerhin schon ein paar Stunden danach eigentlich ganz lustig. Aber dennoch schlimm, dass sie sich weder um die Koffer kümmern, noch um eventuelle Mitreisende, noch um deinen Weiterflug. Der verfällt einfach. Wenn überhaupt jemand wissen will, ob es für dich weitergeht…

  4. Nur ein wichtiger Hinweis zum Erfahrungsbericht von Frau Lohs: niemals, NIEMALS, sagen, man sei Journalist und plane einen Bericht, wenn man nicht im Besitz des erforderlichen Journalistenvisums Class I ist!! Die sofertige Ausweisung ist fast zwingend; verbunden mit einem mehrjährigen Einreiseverbot in die USA. Nicht anfechtbar übrigens… Sollte man sich also genau überlegen. Hierzulande mag sich jeder Dschurnalüscht nennen, der noch letzte Woche nicht wusste, wie es geschrieben witd…, aber die Amis sind in dieser Hinsicht geradezu paranoid.

    1. Jürgen: Ich sage zwar, dass ich Journalistin bin, aber nie, dass ich einen Artikel plane. Betone jedoch, dass ich nach Kanada und Mexiko weiterreise und darüber schreibe, was ja auch stimmt, da ich jedes Mal einen Abstecher in diese zwei Länder mache. Ich habe lange genug in den USA gelebt um zu wissen, wie man sich bei der Einreise verhält. Ein befreundeter Michigander Kongressabgeordneter, der für Immigration zuständig ist meinte, das Journalistenvisum bräuchte man als freelance travel journalist nicht.

      1. Na, der feine Herr Abgeordnete sollte sich mal lieber kundig machen, bevor er so etwas erzählt. Es gibt zig Fälle von Kolleg(innen), auch freiberuflichen, die genau das dachten und nun nach mehrstündiger Haft und zwangsweiser Rückkehr mit jahrelangem Einreiseverbot bestraft sind. Als langjähriger Vorsitzender des Berufsverbandes waren wir mit solchen Fragen laufend konfrontiert. Reiseveranstalter machen keine Pressereisen nach USA mehr, wenn die TN nicht entsprechende Visa nachweisen. Allerdings rede ich von professionellen Journalisten. Blogger fallen vielleicht nicht darunter, wenn sie nur aus Spass an der Freude ihren privaten Blog betreiben. Ist er kommerziell ausgerichtet, sieht es schon anders aus. Wir mögen das als lächerlich empfinden, aber die Vorschriften sind halt so. Und es wäre mehr als leichtsinnig zu glauben, das Wort Journalist öffnet hier Einreiseschranken. Im Gegenteil.

        1. Ich bin professionelle Journalistin, arbeite zu 90% für Printmedien. Ich bin nicht der Meinung, dass das Wort Journalist Einreiseschranken öffnet, im Gegenteil. Ich habe hier nur meine eigene Erfahrung wiedergegeben und nicht dazu aufgefordert, es mir gleichzutun.

        2. Vielen Dank Jürgen für deinen Input. Ich halt mich aus dem Thema aus Gründen lieber raus bis ich zurück bin. 😀 Wobei, Moment. Ich will ja im Sommer wieder rein. Aber ja, das war mir sehr bewusst, dass ich bestimmte Dinge nicht sagen kann. Aber mein Equipment war dann zum Glück irgendwann durch und abgenommen…

  5. Jetzt darf ich, ohnehin schon ausgestattet mit Flugangst, bei jedem Flug daran denken, dass irgendwelche Straftäter von D in die USA geflogen werden. In MEINEM Flugzeug. Dabei denke ich abwechselnd an Liam Neeson und ConAir. Danke, Heike! 😉

    1. Mara, haha. <3 Hat uns auch niemand im Vorfeld gesagt. Habe ich auch erst gecheckt, weil jemand das ansprach. Und wenn man es nicht mitbekommt, ist es nicht passiert. Brauchst dir also zu 90 Prozent keine Sorgen machen... 😀

  6. M.E. ist so eine erschwerte Einreis doch recht nervend, habe ich z.B. in Boston erlebt!
    Trotzdem halte ich insgesamt die Kontrollen doch für sehr angebracht. Nur muß man deshalb so blöde Fragen stellen?

  7. Genau solche Geschichten sind es doch, die das Ansehen der USA massiv schädigen und die mich bisher davon abgehelten haben, das Land zu besuchen. Ich schäme mich ja schon darüber, wie Europa die Grenzen abdichtet. Aber die USA sind da noch viel schlimmer.

  8. Oh man Heike, da hast du ja noch mal Glück im Unglück gehabt. Ich hatte bisher bei der Einreise nie Probleme und immer sehr freundliche Beamte. Habe aber jetzt auch schon hin und wieder gelesen, dass Journalisten bzw. Blogger Probleme bei der Einreise bekommen haben.

    @Oli: Von solchen Geschichten sollte man sich nicht die Reiselust verderben lassen. Die USA sind wirklich ein sehr schönes und abwechslungsreiches Land und es gibt jede Menge Länder auf dieser Welt in denen die Einreise wesentlich unangenehmer werden kann.

  9. Irgendwie schrecklich diese Geschichten! Ich habe bislang keine besonders große Lust, in die USA zu reisen und jetzt noch weniger. Wie einfach ist da doch die Einreise nach China!

  10. […] Man sollte glauben, dass es zu so gut wie jeder großen bzw. interessanten Stadt auf der Welt einen Reiseführer gibt. Dass dem aber nicht so ist stellte ich fest, als ich letztes Jahr für eine Woche nach Detroit flog. Ich graste Amazon ab. Kein Erfolg. Andere Shops – nichts. Ich fand weder einen Reiseführer Detroit in deutscher Sprache noch einen gescheiten in englischer Sprache. Detroit wird meist schlicht mit ein paar Absätzen behandelt das wars. Sicherlich war – und ist wohl immer noch – Detroit keine der klassischen Städte in denen man Urlaub macht. […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert