„I won’t give any refunds“ waren Kedeishas Worte, als ich meine Kreditkarte auf den Thresen legte, um einzuchecken und für unsere Übernachtung zu bezahlen. Erst am Morgen danach wurde mir bewusst, wie ernst es ihr damit gewesen sein muss.

Lost Places Puerto Rico

Als wir am Abend zuvor im Parador Palmas de Lucia in Yabucoa vorfuhren, war es bereits stockfinster, obwohl die Uhr im Auto erst 19 Uhr anzeigte. Es lag eine Irrfahrt durch die Berge Puerto Ricos hinter uns, die zwar teils spektakuläre Ausblicke offenbarte, aber am Ende doch die Nerven strapazierte. Ein nicht ausreichend funktionierendes Navi, ein Gewirr aus wild nummerierten Straßen sowie eine Landkarte, laut der unser aktueller Standort nicht existierte. Nach gut 8 Stunden auf der Ruta Panoramica, dem karibischen Pendant zur Route 66, brachen wir das Unterfangen, in einem einsam gelegenen Mountain Ressort zu übernachten, ab. Der Kinder zuliebe und aus Respekt vor Dunkelheit, Straßenzustand und Abgelegenheit. Es lief also nicht ganz so wie ich mir das vorgestellt hatte, aber hier musste ich meinem Egoismus eine Grenze aufzeigen. So ging es darum, spontan eine neue Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Meine Songempfehlung zum Post – alter Klassiker – Puerto Rico, Vaya Con Dios.

Wir befanden uns an der Südküste Puerto Ricos. Hier benötigt es auch in der Nebensaison etwas mehr Zeit, einen schönen Strand sowie eine Unterkunft zu finden. Nach einigem Blättern im Lonely Planet sowie kurzer Recherche im Netz peilten wir das Örtchen Yabucoa an sowie den Parador Palmas de Lucia. Hier sollten keine Salinen mehr liegen und die Strände gesäumt sein von Kokosnusspalmen.

Bevor ich euch aber diesen Ort beschreibe, der mich wirklich tief berührt, ohne dass ich genau weiß, warum eigentlich, muss ich ein paar Worte über Puerto Rico verlieren. Sonst lasse ich die Insel in einem falschen Licht erscheinen. Puerto Rico ist für mich, wie erhofft, eines der spannendsten Reiseziele seit vielen, vielen Jahren! Es ist so, wie ich es mir vorgestellt hatte. In den letzten 10 Tagen habe ich die schönsten karibischen Strände kennengelernt, eine Insel gefunden, die es noch zu entdecken gilt, traumhafte Sonnenuntergänge gesehen. Ich habe viel Armut gesehen und viele wundervolle Menschen. Zu all dem werde ich aber noch einige Beiträge schreiben. Denn was Puerto Rico auch geschafft hat, ist, mich aus meiner Schreibkrise zu befreien. Ich habe diese Reise bewusst Urlaub sein lassen, um abzuschalten und Kraft zu tanken nach den vergangenen Monaten. Der Knoten platzte, als ich heute Morgen nach einer eher unruhigen Nacht aufwachte und mit den Jungs zum Meer ging.

Ich hatte mich ordentlich rumgewälzt. Die Klimaanlage war aus. Draussen schüttete es die ganze Nacht, so glaubte ich zumindest. Ich träumte von weggeschwemmten Fahrzeugen, überflutetetn Häusern, einem Tsunami, der den Ort überrollt. Schliesslich wohnten wir direkt am Meer. Heute Morgen lernte ich, dass ich mich umsonst gegrämt hatte. Das permanente Plätschern stammte lediglich vom Pool. Heftig gestürmt hatte es dennoch.

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Also raus in aller Frühe, das Meer anschauen. Bei der Ankunft konnten wir nichts erkennen. Auf dem Weg dorthin retteten wir noch eine kleine Maus aus dem Pool, die offenbar die ganze Nacht um ihr Leben geschwommen war. Ich habe noch nie ein so fertiges Tier gesehen, wie es auf Mats Hand sass und sich für 2 Sekunden ausruhte mit angelegten Öhrchen und klatschnassem Fell. Dann sprang sie ins Gebüsch.

Weiter ging es ans karibische Meer. Doch was war das? Es lag ein raues Meer vor uns, braun durch den aufgewühlten Sand, den es nach einer Sturmnacht mitschleppte. Der Himmel grau, der Sand nach einer Welle fast vollständig mit Wasser bedeckt. Der lange Sandstrand übersät mit alten Kokosnüssen, Palmwedeln, Müll und sonstigem Zeug, das das Meer im Laufe der Zeit an Land spült. Jemand muss die Baumreste in Brand gesteckt haben, teils waren sie verkohlt. Wir kamen vorbei an einer alten Ruine, die in guten Zeiten eine lukrative Beach Bar gewesen sein muss.

Das Dach halb eingestürzt, die Wände mit Graffiti besprüht und dem ein oder anderen Mural. Dazu dieser weite Blick, die Palmen, das Meer. Wow. Statt mich beklommen zu fühlen, spürte ich eine Stimmung in mir hochkommen, die ich nicht in Worte kleiden kann. Ich fühlte mich inspiriert von all dem, inspiriert von all diesen Lost Places Puerto Rico. Ein völlig unperfekter karibischer Strand, verfallene Ruinen in einer Lage, wie es sie in Europa so nicht geben würde. Ein Lost Place wie ich ihn mir nicht hätte ausmalen können. Dann fühlte ich mich wiederum schlecht, das Schöne an einem solch offensichtlich armen Ort zu sehen.

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Was war hier passiert? Hat ein Tsunami hier alles verwüstet? Die Touristen blieben aus, der Strand wurde sich selbst überlassen? Das ganze Gebiet hier befindet sich im Tsunami-Gefahrenbereich. Ist der Besitzer schlicht pleite gegangen? Ich weiß es noch nicht. Ich laufe um die alte Beach Bar rum. In der Ruine liegt eine Matratze, auf ihr eine faulende Kokosnuss. Ein Stück weiter hat der Sturm eine riesige Palme aus der Boden gerissen, ein großer Vogel stakst durch ein sumpfartiges Wasserloch. Ein Stück weiter sehe ich eine riesige Fläche, die früher einmal Parkplätze gewesen sein müssen. Was muss hier einmal los gewesen sein! Heute fungiert eine Ecke als illegale Müllhalde. Und ich sehe die nächsten Ruinen. Ein Restaurant sowie ein Häuschen, das vielleicht einmal für Umkleiden gebaut worden war.

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Yabucoa, der Ort in dem wir uns zur Zeit befinden, wird „die Stadt des Zuckers“ genannt: „La Ciudad del Azucar“. Bezogen auf die Jahrzehnte, die die Familien hier vom Zuckerrohr leben konnten. Im 19. Jahrhundert zählte Puerto Rico als Hauptproduzent von Zucker. Doch diese glorreichen Zeiten scheinen vorbei. Was ich hier sehe, sind unzählige stillgelegte Zuckerrohrmühlen und -fabriken. Teil gigantisch große, verrostende Komplexe durch deren Stilllegung tausende Menschen Arbeitsplätze verloren. Es wirkt, als seien sie vor Jahren geschlossen worden und seither nicht mehr berührt worden. Ich habe so etwas noch nie gesehen und es fasziniert mich auf eine nicht zu rechtfertigende Art und Weise.

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Lost Places Puerto Rico - die Strände von Yabucoa

Aber genau dieses Gefühl führt dazu, dass ich endlich wieder in die Tasten haue.

Ein paar Worte möchte ich noch über unsere Unterkunft verlieren.

Wir zahlen für den sogenannten „Walk In“ Preis 89 $ inklusive Tax für 4 Personen ohne Frühstück. Dafür bekommen wir ein okay großes Zimmer samt Balkon, den man nicht benötigt im Erdgeschoss der kleinen Anlage. Wir haben zwei Kingsize Betten für 2 Erwachsene und 2 Kinder und kommen damit sehr gut zurecht. Ich würde mir wünschen, die Europäer würden so denken, dann wäre es deutlich einfacher, als Familie mal eben unterzukommen. Die Ausstattung ist sehr einfach, aber es gibt alles was man benötigt. Super schnelles gratis Wifi, eine kleine Kaffeemaschine, eine Mikrowelle, einen Kühlschrank, ein okayes Bad, eine Klimaanlage, einen Schrank, einen TV und einen Schreibtisch. Allerdings wirkt es auf mich, als wäre die Anlage kurz vor dem Todesstoß. Zwar wird draussen hier und da gewerkelt, aber es ist eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Unsere Balkontür lässt sich nicht mehr richtig abschliessen, nachdem offenbar mal jemand hier eingebrochen hatte. Aber es gibt einen riesigen bunten Papagei, der an der Rezeption lebt. Nicht angekettet. Nicht eingesperrt. Nur der Lonely Planet ist vielleicht entweder gnadenlos veraltet (Oktober 2011) oder scheint mir zu euphemistisch wenn er über dieses Parador schreibt:

„…you stumble upon what is surely one of Puerto Rico’s best Paradores. Backing up onto the beach, but with its own secluded pool and restaurant, the Palmas de Lucia is a light, airy place with huge, clean rooms decked out with rather plush furnishings.“

Alles nicht so falsch. Das Zimmer ist sauber und für die 2 Sterne Kategorie vollkommen in Ordnung. Ich weiß auch nicht. Ich kann euch diesen Ort nicht unbedingt empfehlen zu besuchen, und dann aber auch wieder denke ich, hey. Wenn ihr wisst, was euch erwartet, ist Yabucoa einen Besuch wert! Nicht für einen ganzen Urlaub natürlich, aber für eine oder zwei Übernachtungen auf der Durchreise von oder nach San Juan. Zudem ist es der Ausgangspunkt für die „Ruta Panoramica“, die Panoramastraße, deren anderes Ende wir in Mayaguez in Angriff nahmen. Also vielleicht der perfekte Startpunkt für euren Roadtrip.

Meine Reise nach Puerto Rico wurde unterstützt von der Airline Condor. 
9 Gedanke zu “Lost Places Puerto Rico – Die verlassenen Strände von Yabucoa”
  1. Sehr schöner, sentimentaler Bericht! Ich war auf Sri Lanka auch in diesem Wechselbad der Gefühle und kann das sehr gut nachvollziehen. Und auch klasse, nicht immer nur die Sonnenschein-Seite eines Landes zu sehen. Viel Spaß noch! 😉

    1. @Jo Igele – die guten alten 70er! Manchmal wünsch ich mich zurück. Es ist so lustig, wie jeder Puerto Rico und Costa Rica verwechselt. (Ich auch.) 😀

  2. Das ist echt spannend, auch mal die nicht hochglanzkatalogtauglichen Seiten der Karibik zu sehen. Solche Orte faszinieren mich auch immer mehr als das schnöde Schöne.
    Bezüglich der Unterkünfte hat ja sowieso jeder seiner eigenen Erwartungshaltungen. Eigener Kühlschrank und Pool ist schon wesentlich mehr als ich generell erwarte. 🙂

    Viele Grüße,
    Lena

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert