In den USA ist ein heftiger Streit entbrannt um einen eigentlich alltäglichen Autotest. Ein Autotest, wie er auch hier in Deutschland hätte stattfinden können. Ein Journalist (oder Blogger) fragt bei einem Hersteller einen Testwagen für eine bestimmte Geschichte an. Dazu legt er das geplante Thema der Story kurz dar und der Hersteller entscheidet, ob das interessant ist für ihn und der Journalist den Wagen bekommt oder eben nicht.

Nun, in diesem Fall war es anders herum: der Hersteller Tesla war es, der der New York Times eine Testfahrt vorschlug. Und einen Testbericht in die New York Times zu bekommen ist für einen Hersteller sicherlich durchaus erstrebenswert, und so wurde der Wagen samt Schlüssel schliesslich an den Journalisten Broder übergeben.

© Tesla Motors

Das Ende vom Lied aber ist: nach dem veröffentlichten Review in der New York Times bezichtigte der Tesla-CEO Elon Musk den Journalisten John Broder der Lüge. Der Bericht sei schlicht ein „Fake“!  Und Musk scheute sich auch nicht, das via Twitter genau so kund zu tun.

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Was war geschehen?

Nun, John Broder wollte im Rahmen seiner Story 2 Tage lang die Ostküste bereisen – von Washington DC bis nach Milford, Connecticut. Das Thema: die neu installierte Schnellladestationen, an denen die Fahrer der Tesla S Elektroautos die Akkus gratis und binnen kurzer Zeit wieder aufladen können. Die Distanz der beiden Ladestationen: etwa 200 Meilen, also gut 320 Kilometer. Generell ausreichend für das Modell, mit dem Broder unterwegs war.

Doch auf der Fahrt gab es laut Broder Probleme, er muss diverse Male beim Hersteller anrufen, bleibt am Ende dennoch liegen und muss angeschleppt werden. Und so wird der gedruckte Review zu einem Desaster für Tesla und somit das Image des Elektroautos an sich. Broder schreibt, seine Fahrt sei eine wahre Odyssee gewesen. Die Reichweite sank schneller als er laden konnte. Und nach einer Übernachtung hatte der Wagen mehr als zwei Drittel seiner Reichweite verloren – bedingt wohl durch die eisigen Temperaturen.

Um aber eine rettende Ladestation – keine Tesla-eigene – überhaupt zu erreichen, stellte Broder offenbar nach Anweisung und trotz der Kälte die Heizung runter und drosselte die Geschwindigkeit. Am Ende blieb er trotz allem liegen.

“Car is shutting down,” the computer informed me. I was able to coast down an exit ramp in Branford, Conn., before the car made good on its threat.

Und so lautet Broders Fazit für Model S Fahrer, nachdem er angeblich um Akku zu sparen diverse Meilen zurücklegte, bei denen er furchtbar fror:

„Dress warmly  – just in Case.“  Zieht euch warm an – nur um sicher zu gehen.

Broder schreibt:

At the Washington Auto Show last month, Dr. Chu (…) discussed the Energy Department’s goal of making electric vehicles and plug-in hybrids as cheap and convenient as comparable gasoline-powered cars.

He continued: “We can’t say this everywhere in America yet, but driving by a gasoline station and smiling is something everyone should experience.”

I drove a state-of-the-art electric vehicle past a lot of gas stations. I wasn’t smiling.

Instead, I spent nearly an hour at the Milford service plaza as the Tesla sucked electrons from the hitching post.“

Ein Desaster! Und genau das Gegenteil des erhofften Fazits. Ein Elektroauto, das nach wenigen Meilen liegen bleibt? Wenn die Familie pemanent bangen muss, es überhaupt bis zur nächsten Ladestation zu schaffen, ist der Wagen nicht alltagstauglich! Das Roadtrip-Freiheitsgefühl ruiniert?

Soweit so gut. Passiert all das bei einer Testfahrt wirklich, hat der Hersteller schlicht Pech. Das Auto funktioniert nicht wie gewünscht, der Journalist bleibt liegen, der Review fällt dementsprechend aus. Und so müsste Elon Musk doch auch mit damit leben können, auch wenn das Image seines Elektroautos angeknackst ist. Es ist eben passiert!

Aber was ist wenn der Journalist an der Geschichte gedreht hat? Das Drehbuch zur Story lange zuvor fertig war? Er bewusst versuchte, sie ’spannend‘ zu machen? Das wäre eine Form von Scripted Reality!

Und genau das versucht Musk nun zu beweisen. Dazu veröffentlichte er im hauseigenen Tesla Motors Blog die Logs der Testfahrt. Denn seine Vermutung ist, dass Broder den Tesla S bewusst niederschrieb – da der Journalist offenbar „generell einen Groll gegen Elektroautos hege.“

Schwere Vorwürfe.  Um zu beweisen, dass der Bericht ein ‚Fake‘ ist, führt Musk in einem eigenen Post 9 Punkte auf, mit denen er widerlegen will, was Broder in seinem Artikel in der New York Times behauptet.

  •  Cruise control was never set to 54 mph as claimed in the article, nor did he limp along at 45 mph. Broder in fact drove at speeds from 65 mph to 81 mph for a majority of the trip and at an average cabin temperature setting of 72 F
  • At the point in time that he claims to have turned the temperature down, he in fact turned the temperature up to 74 F
  • The above helps explain a unique peculiarity at the end of the second leg of Broder’s trip. When he first reached our Milford, Connecticut Supercharger, having driven the car hard and after taking an unplanned detour through downtown Manhattan to give his brother a ride, the display said „0 miles remaining.“ Instead of plugging in the car, he drove in circles for over half a mile in a tiny, 100-space parking lot. When the Model S valiantly refused to die, he eventually plugged it in. On the later legs, it is clear Broder was determined not to be foiled again

Danach soll Broder den Tempomaten weder auf 54 Meilen pro Stunden gestellt haben, wie angewiesen, noch die Geschwindigkeit auf 45 mph reduziert haben. Stattdessen soll er zwischen 65 und 81 mph schnell gefahren sein. Auch senkte er die Temperatur nicht, wie behauptet, sondern stellte sie höher. Zudem soll Broder den Wagen auf einem Parkplatz im Kreis gefahren haben damit der Akku sich entleert.

Vor wenigen Stunden reagierte Broder auf diese Vorwürfe:

„While Mr. Musk has accused me of doing this to drain the battery, I was in fact driving around the Milford service plaza on Interstate 95, in the dark, trying to find the unlighted and poorly marked Tesla Supercharger. He did not share that data, which Tesla has now posted online, with me at the time.“

Broder sagt also, er habe schlecht beleuchtete Supercharger Ladestation schlicht nicht gesehen und sei daher auf einem Parkplatz im Kreis gefahren. Hier sind Musk Beweise – die Logs der Fahrt:

 

Bisher sieht tatsächlich so aus, als hätte Broder schlicht nicht sauber gearbeitet. Und dabei leider eine Kleinigkeit vergessen: die Tatsache, dass der Hersteller seinen Wagen permanent überwacht. Seine gefahrenen Kilometer, die exakten Wege, die Temperatur im Wagen, die Geschwindigkeit, den Tempomaten, die Ladezeiten und die Ladeauer überwachen und auswerten kann – und das seit einer negativen Erfahrung vor Jahren auch auf Testfahrten stets tut.

Doch sollte Broder nicht so naiv sein, zu glauben, dass er wirklich ‚allein‘ durchs Land reist. Er sollte ahnen, dass er ‚verfolgt‘ wird. Das hätte schon eine kleine Recherche ergeben.

Sowohl Hersteller und vor allem die Leser vertrauen darauf, dass der Journalist bei seiner Arbeit rund um derartige Geschichte ehrlich vorgeht. Natürlich ist es ein No Go, Szenarien zu erfinden, die während der Testfahrt so nicht stattgefunden haben. Natürlich ist es für das Medium (und die Leser) spannender, wenn etwas unvorhergesehenes geschieht und die Autos eben nicht perfekt und die Testberichte eben nicht immer gleich sind.

© Tesla Motors

Ich möchte mir gar nicht anmaßen zu sagen, was sich wie abgespielt hat, wer recht hat, wer lügt. Aber bei dieser Geschichte geht es nicht nur um das Image eines Elektroautos, sondern auch um den Ruf der Journalisten und Blogger.

Die New York Times hält sich jedenfalls bei diesem Thema bisher zurück, stellte sich aber hinter Broder, der hier noch einmal auf die Vorwürfe eingeht.

Wie auch immer diese Geschichte ausgeht – sie ist ein Dilemma. Denn entweder hat der Journalist sie sich tatsächlich zurecht gedreht, der Hersteller hat die Logs gefaked oder sie offenbart einfach ein großes Kommunikationsproblem zwischen beiden Seiten. Fakt ist aber auch, dass sogar ich mittlerweile aber recht gut informiert bin über die Existenz des Tesla Model S.  Ähnlich wird es wohl vielen Amerikanern gehen…

UPDATE: Ich weiß, ich muss hier dringend aktualisieren. Ich hole das so schnell wie möglich nach!

Weitere Links zur Geschichte:

Autobild – Tesla im Reichweiten Streit

Guardian – Tesla’s Musk posts Data from disastrous New York Times Testdrive

Lisa The Car Addict – Interview with a Tesla Model S Owner

 

7 Gedanke zu “Autojournalist vs Hersteller oder der Kampf um das Image eines Elektroautos”
  1. …und bleibt auch noch die Frage, wie die Messergebnisse zustande gekommen sind. Stimmt die Anzeige auf dem Tacho mit den geloggten Daten überein. Es könnte auch sein, das der Tacho einen 10% Fehler hat.

  2. Es geht Ihr um die Glaubwürdigkeit des Journalismus / Blogger und die die sollte einfach bei der Wahrheit sein. Denn dies macht ja vor allen die Arbeit der unabhängigen Blogger aus, unabhängig und glaubwürdig.
    Danke für dieses tolle Beispiel dafür Heike.
    LG sendet Dani

  3. Der allererste NYT-Artikel „Stalled on the EV Highway“ scheint mittlerweile offline zu sein.
    Wieso erinnert mich die ganze Geschichte nur an „Das elektrische Auto der Zukunft“ bei den Simpsons: http://www.youtube.com/watch?v=dG_iK4vfhEA
    .. „Hallo, ich bin ein Elektroauto. Ich kann nicht sehr schnell fahren, und auch nicht sehr weit. Wenn ihr mich fahrt, denken die Leute ihr wärt schwul“

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