Ein Besuch auf dem Käsemarkt in Alkmaar.
„Sie müssen aufpassen, dass die Käseträger Sie nicht umrennen.“
Diese Warnung bekam ich beim Fremdenverkehrsamt von Alkmaar mit auf den Weg als ich meine Presseakkreditierung abholte. Ich dachte kurz darüber nach und kam zu dem Schluss, dass ich nicht verstand was die freundliche Dame meinte. Sollte mich aber kurze Zeit später sehr wohl daran zurückerinnern.
Auf meiner kleinen Nordhollandtour für das Niederländische Büro für Tourismus und Convention war ich in Alkmaar angekommen. Eine Stadt, etwa 30 Minuten mit dem Zug von Haarlem entfernt und berühmt für ihren traditionellen Käsemarkt. Ein Bekannter hatte mich zu Beginn meiner Planung auf das Städtchen aufmerksam gemacht – und so stiess ich im Netz auf Bilder des Käsemarktes. Und hey. Ein Event bei dem hunderte wagenradgroße Käse auf einem Marktplatz liegen, tausende Menschen hinter Absperrungen stehen nur um bei einem Happening zusehen zu können – genau mein Ding.
Natürlich habe ich nicht NUR mit dem Iphone fotografiert und meine Bilder in mein Instagram Feed geladen sondern auch meine D7000 dabei gehabt mit dem 35mm Objektiv.
Was ist der Käsemarkt von Alkmaar?
Der Käsemarkt von Alkmaar ist eine Mischung aus ernsten Geschäften und einem touristischen Großereignis. Er findet jeden Freitag zwischen April und September auf dem Waagplein statt – und das seit 1622. Tausende Menschen strömen jede Woche dorthin, die Stadt ist voller munterer Käsetouristen. Auf keinen Fall mit dem Auto hin fahren! Die engen Gässchen der Stadt sind gut gefüllt und wer wirklich etwas sehen möchte, der muss sehr früh vor Ort sein.
So läuft der Käsemarkt in Alkmaar ab
Offiziell beginnt der Markt um 10 Uhr. Aber schon Stunden vorher sind die sogenannten Setzer schwer beschäftigt: um 7 Uhr treffen die vollbeladenen LKW mit Käse aus den Fabriken ein. Die Setzer haben die Aufgabe, diesen Käse perfekt auf dem Marktplatz zu stapeln.
Wenige Stunden später liegen dort also ca. 30.000 kg Gouda in langen Reihen. In etwa 700 und 1000 Laibe. Bis halb zehn muss diese Arbeit erledigt sein.
Mein Ziel war natürlich, mit meiner Kamera näher an das Geschehen ran zu kommen. Dazu ist ein Presseausweis nötig und eine Akkreditierung beim Fremdenverkehrsbüro VVV, das ich anfangs nicht fand. So stand ich zum Glockenschlag und zur Eröffnung des Marktes um 10 Uhr mit den Jungs weit ab vom Schuss, obwohl wir zeitig da waren. Dann erst fiel mir das VVV Gebäude auf – es ist das Haus, in dem sich der Käsemarkt in Alkmaar abspielt. Also schnell rein, Fotopass geholt und raus durch die Absperrung auf den Käsemarkt. So standen wir mittendrin. Vor uns lagen sie: hunderte knallgelbe und wagenradgroße Käse.
Plötzlich geschah alles gleichzeitig. Eine Band begann zu spielen, Fotografen, Kamerateams und Journalisten liefen umher. Gäste wurden begrüßt und geehrt, Händler machen sich an die Arbeit den Käse zu prüfen. Preise werden verhandelt und per Handschlag besiegelt.
Männer in weißen Hosen und Hemden und bunten Hüten rannten mit schwer beladenen Tragbahren zu den Käsereihen, luden 8 Laibe Gouda auf und liefen wieder zurück. Sie kamen aus allen Richtungen und rannten zu zwei großen Waagen. Es dauerte ein wenig bis ich eine Art Rythmus erkannte und mich ein wenig locker machen konnte. Ich entwickelte ein Gefühl dafür, wann es an der Zeit war aus dem Weg zu springen und wann es sich nicht lohnte.
Die Jungs spielten zum Glück mit. Ich sah sie schon durch die langen Käsereihen rennen und auf dem guten Beemster hüpfen. Ich hinterher. Aber das geschah zum Glück nur wenn ich die Augen zumachte. Dabei durften sie alles anfassen und begannen, Gewichte zu stemmen.
Ich lernte Ed kennen. Ed ist ein sogenannter ‚Taschenmann‘ – zu erkennen an der Tasche, die er um den Bauch hat. Sie stammt aus früheren Zeiten, als der Käse noch bei ihm bezahlt werden musste. Sein Job ist es, den Käse zu markieren. Ed ist genauso fröhlich und gut gelaunt wie die meisten Menschen hier. Er erklärte mir das Geschehen zwischendurch ein wenig. Und ja, ich gebe zu, ich dachte anfangs wirklich das Ganze sei nur ein touristisches Happening. Ich war überrascht , als Ed mir erklärte, das auch hier Zeit Geld sei. Manchmal bin ich eben unschlagbar naiv.
Die Händler sehen sich also den Käse an, verhandeln den Preis und kaufen per Handschlag. Danach treten die Käseträger in Aktion. Sie holen jeweils 8 Laib Käse zu je 13 Kilogramm im Laufschritt mit einer Bahre und bringen ihn zu einer Waage im Waagegebäude. Damit die Bahre ruhiger liegt vermeiden die Männer Gleichschritt. Was so einfach aussieht ist will geübt sein: der Gehrythmus muss einstudiert sein.
Im Waagegebäude wacht ein Waagemeister darüber, dass dem Käufer das richtige Gewicht berechnet wird. Der Waagemeister ist ein städtischer Beamter, der auch gleichzeitig den ‚Wegbewijs‘ notiert, den jeder Käseträger pro Lauf bekommt.
Insgesamt gibt es vier Gruppen von Käseträgern – sie bilden die Käseträgergilde. Eine Ehrenaufgabe, eine Art ruhmreicher Nebenjob. Jede Gruppe besteht aus 7 Leuten, die auf dem Markt . Sie unterscheiden sich durch die verschieden farbigen Strohhüte, der Schleife und der Farbe der Tragbahre: rot, gelb, grün und blau. Der Käsevater trägt einen orangenen Hut. Er ist das Oberhaupt der vier Gruppen.
Laut Ed läuft jeder etwa 20 Mal pro Stunde. Das heißt: alle drei Minuten mit einem Gewicht von ca. 100 Kilo. Kein Wunder, dass ein Mann allein für die Versorgung mit nichtalkoholischen Getränken zuständig ist. Eine Gruppe trägt derweil die Käse zu den Wagen der Händler, während die anderen drei weiter laufen.
Auf dem Käsemarkt gibt es einige Bräuche und Gepflogenheiten. So ist fluchen beispielsweise verboten – auch wenn ein Laib mal runterrollt. Als Mats dabei war, sich auf einen Käse zu setzen während Tim auf einem anderen rumklopfte wollte ich wissen wie teuer eigentlich so ein Laib ist.
Einer kostet in etwa 150€.
Ach, das Ganze ist herrlich kompliziert und traditionell. Schliesslich gibt es den Käsemarkt in Alkmaar seit 1622. Und noch immer hat das gelbe Gold eine große Bedeutung für die Stadt.
Es ist schon verrückt zu sehen welchen Hype das Ganze auslöst. Touristen, die an den Absperrungen drängen. Gruppen, die Käseführungen buchen und dann eine Absperrung näher ran dürfen. Kinder dürfen selbst einmal versuchen einen Käselaib zu tragen. Die Träger posieren für die Kameras. Große Aufregung bei den Kamerateams herrschte als der ‚besondere‘ Käse gewogen wurde.
Ganz spannend zu sehen fand ich, dass Mats zum ersten Mal überhaupt an Käse interessiert war und er unbedingt welchen probieren wollte. Die Käseträger hatten kleine Tüten dabei mit Käsestücken, die sie verteilten. Mats war begeistert.
Der Käsemarkt in Alkmaar ist übrigens absolut up to date! Es gibt eine sehr informative Website in den wichtigsten Sprachen inklusive Anreiseinformationen und einem genauen Zeitplan sowie eine Facebook Fanpage (über die alle redeten, die ich aber nicht finden kann.) Wie ihr hinkomt von Haarlem hatte ich in diesem Post beschrieben.
Mein Aufenthalt in Nordholland wurde ermöglicht vom Niederländischen Büro für Tourismus & Convention. Herzlichen Dank dafür. Ansichten bleiben meine eigenen.
Alkmaar gehört zu unserem „jährlichen“ Programm. Ein nettes Städtchen zu jeder Jahreszeit. Empfehlen kann ich in Nordholland das kleine Künstlerstädtchen Bergen…
LG
Thomas
@Thomas – Von Bergen habe ich jetzt schon mehrfach gehört. Jetzt bin ich neugierig. Ich hatte nur knapp 3 Tage, zu wenig Zeit für so viele schöne Fleckchen. Ich werde wiederkommen. Wenn du noch Tipps hast, was ich dort anstellen könnte, wo ich hin sollte – ich würde mich freuen!
Genial! danke für den Artikel und die vielen schönen Bilder. Ich finde es ganz große Klasse das es so eine Tradition noch lebend und aktiv gibt.
Bergen lädt ein zum Latte macchiato in einem der zentralen Cafés hinter der Kirche – am besten an einem sonnigen Samstag,da ist Markttag. Ein Bummel durch den beschaulichen Ort ist wegen der vielen kleinen Läden, Fashion und Living, sehr unterhaltsam. Von Bergen dann mit dem Fahrrad fünf bis zehn Kilometer (je nach Route) durch das Dünen-Naturschutzgebiet nach Bergen aan Zee. Dort findest Du den für mich schönsten Strand Hollands. Von dort am Strand lang nach Egmont und zurück. Abschluss des Tages kann dann dann das „Pfannekuchenhaus“ direkt am Strand in Bergen sein….
LG
Thomas
[…] ausführlichen Artikel geschrieben und ihn mit zahlreichen, wirklich sehenswerten Fotos garniert. Hier erfährst Du, wie viele Käseprofis an dem Spektakel beteiligt sind, warum das Ganze so eine Touristenattraktion […]
das nächste mal nimmste mich gefälligst mit!
<3 dani
@dani – Jawoll! 🙂 Koffer ist groß…
Alkmaar 2019 erlebt, dein Bericht ist noch sehr aktuell, alles noch so erlebt, danke für den Bericht. Dann jetzt wohl noch Halt in Bergen