Das 11. Arrondissement liegt im Osten von Paris. Man liebt es – oder man hasst es. Betrittst du es zum ersten Mal, packt es dich mit all seiner Wucht, wirft den Schleudergang an und spuckt dich verwirrt zurück auf die Straße ins Hier und Jetzt. Du versuchst all die Eindrücke aufzunehmen, all das zu verarbeiten was um dich herum geschieht. Dachte ich bis dato, Großstadtkind zu sein – wurde ich im Bastilleviertel sofort eines besseren belehrt. Eines vorweg: unser Kurztrip, der hier zunächst deprimierend klingt, endete mit dem dringenden Bedürfnis noch einmal zurückkehren zu können. Das früher von Handwerkern geprägte Arrondissement hat soviel Charakter, soviel rauen Charme – das kann mir persönlich ein klinisch reines und perfektes Viertel nicht bieten.

Mein 5jähriger Sohn und ich verbrachten ein Wochenende hier. Also kann ich über gute Kneipen und Restaurants nichts erzählen – ausser, dass das Viertel voll davon ist. Ich möchte versuchen, euch ein Gefühl für die Ecke zu vermitteln. Wie geschichtsträchtig das Viertel ist, darauf möchte ich hier nicht groß eingehen. Aber mit dem ‚Sturm auf die Bastille‘ begann 1789 die französische Revolution. Auf der Avenue Henri IV vor Hausnummer 49 markieren heute Pflastersteine die Umrisse der ehemaligen Festung.

Bei unserer Ankunft am Freitag Mittag fühlte ich mich zunächst unsicher. Ich konnte die Menschen um mich herum nicht einschätzen. Es war wild, chaotisch und laut. Ich kämpfte gegen eine Mischung aus einsetzendem Fluchtreflex und übertriebenem Beschützerinstinkt an. Aber durch das extrem frühe Aufstehen war ich gleichzeitig sehr müde und ahnte, das Viertel wenige Stunden später mit anderen Augen zu sehen. So kam es letztendlich auch.

Aber bei unseren ersten Schritten prasselte so viel auf uns ein:

Als wir die letzte Treppenstufe genommen hatten, fielen uns drei alte und sehr schmutzige Telefonzellen auf. Obdachlose hatten sie mit Decken, Plastiktüten und alten Handtüchern ausgelegt und schliefen darin. Wie ich später sah, funktionierten die Telefone noch, und wurden häufig genutzt. Mats fing an, die ersten Fragen zu stellen … wenige Sekunden später tauchte ein Jamaikaner mit seiner Gitarre vor uns auf. Mopeds rasten hupend an uns vorbei, während ich versuchte heraus zu finden, wo wir eigentlich hin müssen. Wir liefen durch die Rue de la Roquette, nur wenige hundert Meter bis zum Hotel. Wir kamen am ‚Office français de l’immigration et de l’intégration‘ vorbei, vor dessen Tür etwa 50 aufgebrachte Menschen standen sowie ein Kamerateam. Neben mir hörte ich plötzlich so etwas wie ein Ratschen – da stand ein Zelt auf dem Bürgersteig vor einem alten Geschäft. Ein Mann kletterte raus, räkelte sich, zog seine Schuhe an und ging fort. Drei weitere lagen noch drin.

Rechts sah ich eine riesige, schwere alte Tür, die zu einer Tierklinik führte. Kunterbunt mit Graffiti besprüht. In einem Auto war eine Katze eingesperrt, die offenbar auf ihren Arzttermin warten musste. Wir kamen an einem thailändischen Restaurant vorbei, in dem es offenbar kurz zuvor gebrannt hatte. Die Fenster waren schwarz vom Ruß. In etwa dort, in Höhe einer Kirche, bogen wir von der Rue de La Roquette in die Straße zum Hotel ab, checkten ein, und schnauften erst einmal durch.

Wir übernachteten im ‚Le Standard Design‘ Hotel. Eine echte Oase der Ruhe im Viertel mit einem irre gemütlichen Bett und der besten Dusche, die ich je benutzen durfte. Nachts war es wirklich ruhig, obwohl in den Straßen viel los was.  Das Frühstück war super! Lediglich mit der Kaffeemaschine stand ich auf Kriegsfuß und ich übersah, dass ich mein Ei kochen sollte, bevor ich es versuche zu essen. Dass ein Toast beinahe Feuer fing und neben viel Rauch auch einen extrem lauten Feueralarm auslöste – dafür konnten wir beide nichts. Diese Aktion aber bescherte uns beim Lüften des stylischen ‚Le Petit Déjeuner‘ Raums einen wunderbaren Blick auf die Häuser im Viertel. Im Hotel hatte ich alle drei Tage schnelles Free-Wifi zur Verfügung. Perfekt.

Im Laufe des Wochenendes groovten Mats und ich uns hier im Viertel ein. Wir kamen und gingen und fühlten uns zu Hause. Wir wussten mittlerweile, welcher der 8 Métroausgänge der richtige ist. Mats kurvte nur so durch die Straßen, sorgte sich aber weiter um die Menschen, die in Telefonzellen und Zelten schliefen. Am dritten Tag wusste er in etwa, wie er die Frau einordnen sollte, die immer an derselben Stelle der Rue de La Roquette neben einer Vespa stand und bitterlich weinte.

Herzzerreißend blieben aber für mich die Szenen in den Abendstunden, in denen die Frauen ihren bettelnden Männern die Babys und Kleinkinder brachten. Zum Teil noch Säuglinge, die dann über Stunden draußen hin und her geschaukelt wurden und helfen sollten, die Portemonnaies der Menschen zu öffnen. Das ging mir sehr nahe. Den Franzosen nicht mehr. Wenige Meter weiter wurde in den Bars und Restaurants gefeiert, und auch bei echt mauen Temperaturen waren alle Tische draußen besetzt. Bei unseren Streifzügen durch das Viertel entdeckten wir viele wunderschöne Hinterhöfe und Ecken, in die ich gern mal weiter rein gelugt hätte.

Am Samstagabend machten ein paar Jungs aus ihrem kleinen Breakdancewettbewerb eine richtige Party direkt vor der Métrostation. Am Sonntag waren die großen Straßen um die Bastille gesperrt, weil tausende Menschen bei einem Halbmarathon durch das Viertel liefen. Zudem ist sonntags Markt auf dem Boulevard Richard Lenoir, bei dem es neben vielen frischen Lebensmittel auch Schnecken, Seeigel oder frischen Fisch zu kaufen gab. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall.

Was ich denke?

Das 11. Arrondissement ist vielleicht nicht das beste Viertel von Paris, um dort ein paar Tage mit einem Kind zu verbringen. Es ist rau, laut, schmutzig und nicht grün. Aber ich mag ‚nicht perfekt‘. Für uns hat es super gepasst. Es katapultierte uns direkt in den Alltag der Menschen – ohne uns etwas vorzulügen. Wir mussten uns Zeit nehmen, um durch die Straßen zu schlendern, ein Gefühl für die Ecke zu entwickeln und Vertrauen zu fassen. Natürlich eignet sich das 11. prima zum Ausgehen. Eine Bar reiht sich an ein Restaurant oder an ein kleines Café.

Tatsächlich möchte ich genau hier noch einmal hin. Und mir einige Ecken ansehen, die wir an diesem Wochenende nicht sehen konnten. Ich möchte eine Führung durch die Oper machen an der Bastille, die eine der modernsten der Welt ist.

Zudem führt vom Platz aus eine Treppe hinunter zum Port de Plaisance Arsenal, dem Pariser Yachthafen. Er ist der Ausgangspunkt für eine auf dem ersten Drittel unterirdische Kanalrundfahrt bis zum Park von Villette und für Tagestouren ins Marnetal. Das habe ich leider erst nach unserer Rückkehr erfahren.

Mehr Bilder vom kleinen Markt und von unserem Parisaufenthalt kommen in den nächsten Tagen.

Alle Bilder in diesem Post habe ich bewusst mit meinem iPhone fotografiert und mit der App Instagram bearbeitet. Einige der Bilder habe ich schon aus Paris in mein Instagram Feed hochgeladen, um euch von unterwegs von meinen Eindrücken berichten zu können.

Disclaimer: Unser Aufenthalt in Paris wurde gesponsert von Atout France, der französischen Zentrale für Tourismus. Ansichten bleiben meine eigenen.

14 Gedanke zu “Im Bastilleviertel von Paris – per Instagram durch das 11. Arrondissement”
  1. Ein toller Bericht. Ja, das ist Paris …

    Wenn man dieses Touristenticket hat, ist da auch eine Vergünstigung für die Fahrt auf dem Canal St. Martin dabei. Das Boot fährt durch mehrere Schleusen und über dir stehen die Leute und gucken runter. Ich war bgeistert von der Fahrt.

  2. Hallo Heike,

    wenn ich Deinen Bericht hier so lese bekomme ich echt lust auf ein Wochenende Paris.

    Ich war noch nie dort.Vielleicht wird es einfach mal Zeit das ich mir meine Freundin schnappe und in den Zug steige.

    Danke für Deine Eindrücke.

  3. Ein paar sehr nette Ansichten zur City. Auch dein Eiffelturmbeitrag hat mir gefallen. Hab das Gefühl, dass ich ihn noch nie so leer gesehen habe, aber das mag fotografisches Geschick oder reiner Zufall sein. Ich freu mich auch schon auf meinen nächsten Besuch in Frankreich – vielleicht wird es eine zweite Tour de France…

    VG
    Roman

    1. @Roman – dass du den Eifelturm noch nie so leer gesehen hast mag daran liegen, dass ich morgens wirklich Gas gegeben habe um hinzukommen um allen möglichen Horrorszenarien vorzubeugen. 😉 Denn der Visiteur Pass bringt einen vielleicht schnell rauf – aber leider nicht durch einen Geheimaufzug wieder runter. Da heißt es dann dennoch Schlange stehen…und mit Kind diese ganzen Treppen zu laufen war mir zu viel. Danke für dein Feedback! Das freut mich!

  4. Liebe Heike,

    schöner Beitrag! Beim Lesen hatte ich das Gefühl, zusammen mit euch durch Paris zu grooven. Hast deine Eindrücke toll beschrieben. Kannst du noch andere Ecken in Paris empfehlen? Vielleicht kennst du ja noch ein anderes schönes Hotel?

    Liebe Grüße!

  5. Hallo Heike,

    sehr schöne Paris-Fotos. Ich mag Dein Stil.
    Ich bin gerade dabei in das Abenteuer Streetfotografie einzutauchen.
    Deine Seite inspiriert mich.

    Viele Grüße aus Mannheim

    Andreas

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